Sumpf

Bergtour
Ammergauer Alpen
1150 Hm
Kuchelbergspitze
2020 m

Wie lange war ich nicht mehr in den Bergen! Familiäre Verpflichtungen, diverse Kindergartenkeime und auch die Sportkletterleidenschaft haben mich anderweitig beschäftigt. Zuletzt musste noch bei jeden Tag strahlendem Sonnenschein eine Coronainfektion im Hausarrest ausgestanden werden. Nun plagt mich eine große Sehnsucht. Diese wurde zuletzt noch verstärkt durch Julians schöne Fotos einer spätwinterlichen Begehung des Kuchelberggrats. Heute bin ich endlich frei und das Wetter ist schön. Da mache ich das einfach nach! Schließlich liegt meine letzte Begehung dieses Grats mit Antonia schon mehr als zehn Jahre zurück.

Julian hat von bei ihm guten Bedingungen mit griffigem aber tragfähigem Schnee berichtet. Da die Temperatur in den Nächten noch immer unter Null fällt, gehe auch ich von einer eher harten Schneedecke aus und packe Steigeisen statt Schneeschuhe ein. Dazu trage ich meine dicken Bollerschuhe, die ich mehrere Jahre nicht mehr anhatte. Bereits auf dem Anmarsch über den Fürstenweg fängt mein linkes Knie an, sich darüber zu beschweren.

Kurz vor der Kuchelberg-Diensthütte treffe ich auf die ersten nennenswerten Schneefelder. Ab der Hütte ist die Schneedecke geschlossen und ich erinnere mich, warum man im März und April normalerweise keine Bergwanderungen macht, sondern Skitouren unternimmt oder Sportklettern geht. Der Schnee ist tief und sumpfig und jeder Schritt mühsam. Klügere Menschen würden jetzt wahrscheinlich die mitgebrachten Gamaschen anziehen. Ich ziehe sie erst kurz vor dem Gipfel an, als Schuhe und Socken bereits triefnass sind.

Schneehänge waren mir schon immer unheimlich. Dazu bin ich durch die veränderten Lebensumstände und die fehlende Regelmäßigkeit in den letzten Jahren noch schissiger geworden. Jetzt bereiten mir die hier und da sichtbaren Gleitschneemäuler gewisse Sorgen. Eines muss ich überklettern, was auf dem steilen, rutschigen Gras nicht so leicht ist und meine Stimmung verfinstert. Im Weiteren halte ich mich etwas beruhigender auf einem angedeuteten Rücken. Ich hoffe auf bessere Bedingungen am Grat, was sich zumindest teilweise bewahrheitet. Dort wechseln sich tiefer Sumpf, tragender Schnee und ausgeaperte Abschnitte kleinräumig ab.

An einer etwas schmaleren und felsigen Stelle weicht die vom Brunnenköpfl heraufziehende Schispur in die Nordflanke aus. Dort ist die Schneeoberfläche noch sehr hart. Da ich natürlich zu faul bin, die Steigeisen anzuziehen, steige ich nach wenigen Schritten wieder zum Grat auf und überklettere die kleinen Türmchen. Das ist ziemlich harmlos. An einer anderen Stelle führt die Spur gefährlich weit auf eine Wächte hinaus, was ich aber rechtzeitig bemerke.

Am Gipfel der Kuchelbergspitze wird es mir wegen der nassen Füße schnell zu kalt. Ohnehin ist die Aussicht durch den seit Tagen alles bedeckenden Saharastaub noch immer deutlich getrübt. Eigentlich hatte ich vor, bis mindestens zum Kuchelbergkopf weiterzugehen und über den westlichen Weg nach Süden zum Kuchelbach abzusteigen. Darauf habe ich jetzt aber keine Lust mehr. Der verbleibende Grat ist noch einmal etwa genauso lang und mit reichlich Schnee bedeckt. Zwar ist eine Spur vorhanden und dadurch vermutlich auch der Abstiegsweg auffindbar, die relativ steilen Schneehänge sehen aber wenig vertrauenserweckend aus.

Ich kehre also lieber um. Auf halbem Weg ziehe ich sogar die Steigeisen an, was zwar nicht viel hilft, jedoch auch nicht schadet und womit ich mir nur ein einziges neues Loch ins Bein piekse. An der Kuchelberg-Diensthütte hole ich meine Brotzeit nach, wobei jedoch pünktlich die Sonne hinter einer Wolke verschwindet.

Beim weiteren Abstieg bemerke ich, dass ich den ganzen Tag noch keine Menschenseele gesehen habe. Solche Einsamkeit findet man bei Skitouren selten. Mir gefällt das und so bin ich insgesamt ganz zufrieden mit meiner Unternehmung. Erfreulich ist auch, dass sich der befürchtete Formmangel nicht allzu gravierend manifestiert hat. Long Covid lässt offenbar noch auf sich warten.

Insgesamt etwa 20 Kilometer und nur rund 1150 Höhenmeter. Etliche der Höhenmeter zwischen Diensthütte und Gipfel kann man aber doppelt zählen.

Parkplatz - 910 m - 08:54 Uhr
Kuchelberg-Diensthütte - 1600 m - 10:44 Uhr
Kuchelberggrat - 1800 m - 11:30 Uhr
Kuchelberg - 2020 m - 12:17 Uhr
Abmarsch - 12:39 Uhr
Parkplatz - 910 m - 15:22 Uhr